Aus alter Zeit - Dorfarchiv-Westkirchen e.V.

Dorfarchiv Westkirchen e.V.
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Ein Bericht zur Geschichte der Gemeinde Westkirchen
 
aus dem Jahre ca. 1927
von
 Joseph Schlotmann (+), Lehrer in Wiedenbrück
 

Die Gemeinde Westkirchen, etwa 11.000 Morgen groß, an der Südgrenze des Kreises Warendorf gelegen, umfasst ein kleines Dorf, das ziemlich im Osten der Gemeinde liegt, und die vier Bauerschaften Dorf, Voßmar, Büttrup und Holtrup. Die Silbe „trup“ in den beiden zuletzt genannten Wörtern bedeutet eigentlich genau wie das Wort „Dorf“ so viel wie das plattdeutsche Wort „Tropp“ oder „Tröppken“. Bei der Bezeichnung „Holtrup“ wird es sich ursprünglich um eine Siedlung, um ein „Tröppken“ Häuser im „Holte“ gehandelt haben, in der Gegend, wo heute noch die Gehöfte Große-Holtrup und Lütke-Holtrup liegen. Büttrup heißt in alten Urkunden aus dem 12. Und 13. Jahrhundert „Butilinktorpe“, und der alte Name scheint auf einen Trupp von Höfen „buten“, also außerhalb des eigentlichen Dorfes hinzuweisen, den wir wohl in der Gegend des Bauern „Tiggemann“ und des uralten, jetzt nicht mehr vorhandenen (wenigstens dem Namen nach nicht mehr) Hofes „Westhues“ zu suchen haben. Vossmar heißt in alten Schriftstücken „Voßhem“ oder „Voßheim“ (Fuchsheim) und hat sich in der alten Form noch in der plattdeutschen Bezeichnung „Vossem“ für den Bauernhof Vossmann erhalten.

Man sagt nicht ganz mit Unrecht, dass der Mensch ein Produkt der Scholle sei. Die Westkirchener sind ein typischer Menschenschlag, und wenn man sie verstehen will, muss man die natürlichen Verhältnisse der Gemeinde kennen. Bis auf einen schmalen Streifen an der Ost- und Nordgrenze, wo sich lehmiger Sandboden findet, hat die Gemeinde überall Kleiboden, größtenteils schwersten Lehm-, an der Südseite zu den Beckumer Bergen hin, die mit dem Finkenberg und einigen andern Ausläufern ziemlich weit in die Gemeinde vorstoßen, schweren, sehr steinigen Kalkboden. Mühsam ist die Saat, ungewiss das Gedeihen, schwer die Ernte. Der Mensch muss mit der Erde ringen, wenn er ihres Segens genießen will, und nur zu oft ringt er vergebens; hier ist das Erdreich wie ein Teckelhund; einmal verkehrt behandelt, sei’s von des Menschen Pflug, sei’s von Sonne und Wolken über ihm, mault er das ganze Jahr. Da lernen die Bauern zähe sein, bis ins kleinste und feinste die Natur belauschen, alles reiflich überdenken, kühlen Kopf bewahren, einander helfen, friedlich sein (denn der Unfriede fließt aus dem Übermut), beten und nochmals beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Und die „Düörpers“, die viele Jahrhunderte lang mit ihnen eine Sorgen-, Not- und Arbeitsgemeinschaft gebildet haben, sind nicht anders, und auch die in den letzten Jahrzehnten zutage getretene Notwendigkeit, dass manche Dorfbewohner ihre Arbeitsgelegenheit außerhalb der Gemeinde in Fabriken suchen mussten, hat an diesem Verhältnis nichts geändert. Es ist geblieben, wie es immer war. Eine friedliche, einträchtige, ruhige Bevölkerung gibt der Gemeinde Westkirchen ihr besonderes, anziehendes Gepräge. Wie alt mögen wohl die Traditionen sein, aus denen hier die innere Menschenformung schöpft?

Sicher haben innerhalb des Gebietes der jetzigen Gemeinde Westkirchen Siedlungen schon zurzeit Christi bestanden. Damals waren unsere Vorfahren noch an erster Stelle Weidebauern, und für Weiden war der hiesige Boden ganz besonders geeignet. Da er zudem infolge seiner natürlichen Beschaffenheit großen Waldbestand aufgewiesen haben wird und ohne Kunststraßen, die ja noch völlig unbekannt waren, nur äußerst schwer zugänglich war, bot er den Bewohnern und ihrem Vieh einen starken natürlichen Schutz, und solche Vorteile werden unsere Vorfahren bei der Wahl ihrer Wohnsitze sich ganz gewiß nicht haben entgehen lassen.

Eines darf allerdings nicht übersehen werden, die Gemeinde hat nur wenige und kleine Wasserläufe. Es wird sich darum mehr um Einzelsiedlungen als um Gruppensiedlungen gehandelt haben, und wir werden diese vor allem in der Nähe des Glauenortsbaches und des Mußenbaches vermuten müssen. Dass hier in der Gegend germanische Siedlungen waren, darauf weisen ja die Ausgrabungen hin, die man allerjüngst in unserer Nachbargemeinde Beelen gemacht hat. Aber noch an anderer Stelle sind vor Jahrzehnten wertvolle Funde aus der Römerzeit gemacht worden. Durch diese Funde ist klargelegt worden, dass eine römische Heerstraße von der Lippe her über Beckum nach Warendorf zur Ems verlief, und der Zug dieser Straße führt durch die Bauerschaft Büttrup. Dort „auf dem Berge“ liegt sie, heute fast unbenutzt, in breitem Ausmaß, behaglich wie eine längst vergessene Zeit zwischen den Kämpen. Im Volksmund heißt sie bis auf den heutigen Tag die „Römerstraße“. Wenn diese Bezeichnung alte Tradition ist – so ist das nur möglich unter der Voraussetzung, dass sich dort schon zur Zeit der Römer germanische Siedler fanden, die den Namen an die Nachfahren überlieferten. Ob in dem Namen „up’n Doorn“ in der Bauerschaft Holtrup sich die Bezeichnung einer Kultstätte des germanischen Gottes Thor verbirgt, ist wohl eine Frage, die kaum geklärt werden dürfte.

Auch über die der Völkerwanderung folgenden Jahrhunderte lassen sich in Bezug auf unsere Gemeinde nur Vermutungen anstellen. Die erste Berührung mit dem Christentum geschah jedenfalls zur Zeit des hl. Bonifatius (680 – 754), der ja die Großeltern des Edlen Everword von Freckenhorst, des Gründers des Klosters Freckenhorst, für das Christentum gewann. Diese Edlen von Freckenhorst aber waren auch innerhalb der Gemeinde Westkirchen reich begütert, wo sie den Hof tom Syle u. a. besaßen. In und nach dem großen Sachsenkriege (772 – 804) des Frankenkönigs Karl des Großen setzte dann überall im Westfalenlande die Missionstätigkeit der christlichen Prediger ein. Der älteste Pfarrbezirk in unserer Gegend wird wohl Warendorf gewesen sein, zu dem auch das Gebiet der heutigen Gemeinde Westkirchen gehörte. Die weiteren Pfarr- und Klostergründungen in der Gegend geben ein Bild von den Fortschritten der Christianisierung. 851 entstanden Pfarre und Kloster Freckenhorst. Ein beträchtlicher Teil der jetzigen Gemeinde Westkirchen wurde dieser neuen Pfarrei zugeteilt. Es wurden nun im nahen Umkreis nacheinander folgende Pfarrkirchen gegründet: Ennigerloh um 860, Beelen um 900, Ostenfelde um 1000, Greffen um 1050, Enniger um 1200, Hoetmar um 1250. Die Kirche zu Westkirchen wurde etwa zur selben Zeit wie die zu Enniger, also um 1250 errichtet.[1] Das Gebiet der Pfarre Westkirchen wurde von der Pfarre Ostenfelde abgezweigt (Dorfbauerschaft) und durch Teile von Warendorf und Freckenhorst ergänzt. Es war ursprünglich größer als heute, da später ein Teil an die Pfarrei Ennigerloh kam. Der Bauer Tillkorn in Ennigerloh z. B. gehörte noch um das Jahr 1350 zur Pfarrei Westkirchen.

Der Name „Westkirchen“ kam nicht gleichzeitig mit der Pfarrei auf. Noch zwei Jahrhunderte lang findet sich statt seiner der Name „Weste[re]n-Ostenfelde“. Die Bezeichnung Westkirchen ist offenbar [aus] dem Bedürfnis entstanden, eine kürzere Bezeichnung zu finden, und wird sich ursprünglich vielleicht bloß auf die Kirche selbst bezogen haben.

Die Unterwerfung des Sachsenvolkes durch den mächtigen Frankenkönig Karl, die Bekehrung zum Christentum und die Gründung einer eigenen Pfarrei waren für die Westkirchener von einschneidender Bedeutung.[2] Das freie Volksgericht wurde durch das Königsgericht (Gogericht) ersetzt; jährliche Abgaben erinnerten die bisher an völlige Freiheit und Unabhängigkeit Gewöhnten an die Existenz einer übergeordneten staatlichen Macht. So wurde und wuchs in ihnen ganz allmählich der Staatsgedanke. Durch den gemeinsamen Glauben und den Besuch des gemeinsamen Gotteshauses wuchsen sie innerlich allmählich zu einer Gemeinschaft, zu Menschen mit gemeinsamen Freuden und Nöten, zu einer Gemeinde zusammen.

Gegründet wurde die Kirche zu „Westkärken“ nicht vom Bischofe, sondern von der Freckenhorster Äbtissin. Der Grund und Boden für die Kirche, sowie die Ausstattungsstücke der Kirche und des Pfarrhofes wurden vom „Südhofe“ (jetzt Schulze Suthoff) genommen. (Der Südhof hat seinen Namen nicht von seiner Lage zur Kirche – dann müßte er Osthof heißen – sondern von seiner Lage zu dem Haupthofe „tom Syle“.) Darum hatten die Äbtissin von Freckenhorst und der Besitzer des Südhofes abwechselnd das Patronatsrecht,  d. h. einmal wurde der Ortspfarrer (plebanus) von diesem, das andere Mal von der Äbtissin bestimmt, obschon der Besitzer des Südhofes nicht selbstherrlich, sondern der Lehnsmann des Stiftes Freckenhorst war. So blieb es, bis die Äbtissin Agnes von Freckenhorst gegen den damaligenLehnsinhaber des Südhofes, Jost Korf, 1542 das alleinige Kollationsrecht (Besetzungsrecht) beanspruchte, welches ihr in einem Prozesse auch zuerkannt wurde. „Seitdem ist die Freckenhorster Äbtissin (bis zum Jahre 1803, wo das Stift aufgehoben wurde) im Besitze des freien (d. h. alleinigen) Patronatsrechtes über die Kirche in Westkirchen geblieben“. (Zurhorn, Kirchengeschichte der Stadt Warendorf, S. 71)

Archidiakon oder Dechant von Westkirchen war der jedesmalige Propst von St. Mauritz. Dieser gehörte immer dem Domkapitel an. Er bezog aus der Gemeinde Westkirchen (und anderen) bedeutende Einkünfte, meist in Naturalien. Er hatte die Aufsicht über die Kirche, den Ortsgeistlichen und den Küster. Wenigstens alle drei Jahre musste er oder sein Vertreter erscheinen, um in der Kirche Gericht abzuhalten, das sog. Sendgericht. Dieses Gericht umfasste sämtliche in der Kirche und auf dem Kirchhofe vorgekommenen kleineren Vergehen, Gotteslästerung sowie alle Vergehen gegen die Sittlichkeit. Bestimmte Personen aus der Gemeinde, die sog. Eidschwörer, die von Send zu Send wechselten, mussten diese Vergehen erforschen und auf dem Send zur Anzeige bringen. Zu dem Send hatten sämtliche selbständigen Einwohner der Gemeinde zu erscheinen. Wer ausblieb, hatte drei Malter Hafer als Strafe zu zahlen. Mit dem Send war immer eine Prüfung der kirchlichen Verhältnisse verbunden. Im 16. Jahrhundert hörte die geistliche Gerichtsbarkeit auf und ging an die weltlichen Gerichte über.

Eine hohe Bevölkerungsziffer hat die Gemeinde Westkirchen zu der Zeit, als sie durch Gründung einer Kirche zu einer Einheit zusammengefasst wurde (1200), ganz gewiss nicht gehabt. Der größte Teil des Gemeindegebietes war mit Wald bedeckt, dem Boden entsprechend vor allem mit Eichen und Buchen. Zwei gewaltige Waldgebiete von stundenlanger Ausdehnung gab es, den Westerwald und den Osterwald, die sich beide über die heutigen Gemeindegrenzen hinaus erstreckten. Im Volksmunde heißt es noch heute „in’n Waolle“ und „in’n Aiksternwaolle“. Was für Baumriesen in diesen Wäldern standen, beweisen nicht nur die Balken alter Bauernhäuser in Westkirchen; das zeigt auch die dicke Eiche im Pfarrgarten mit ihrem Durchmesser von 2 m. Diese sogenannte gemeine Mark war nicht Privateigentum, sondern Allgemeinbesitz. Es gab darin auch unbewaldete Gebiete. Aus der Mark bekamen die Bauern ihren Bedarf an Holz, sie trieben auch das Vieh hinein, im Sommer Rindvieh und Schweine, im Herbst die Schweine zur Eichelmast. Aus dem Ost[er]wald, wo es auch Heideflächen gab, wurden auch Plaggen geholt. Anfangs geschah die Ausnützung der Mark nach Bedarf und planlos. Als aber die Besiedlung dichter wurde, taten sich die Nutznießer der Mark zu Markgenossenschaften zusammen. Für die Weide-, Holz- und Plaggennutzung bildeten sich bestimmte, ungeschriebene, durch Überlieferung heilige Rechte heraus. Holzgrafen (Holtgrewe) wurden eingesetzt, über diese Rechte zu wachen, Holzgerichte (Hölting genannt) wurden abgehalten, [die] Verletzung dieser Rechte zu strafen. Für die Hude (d. h. das Hüten des Viehs) wurden von der Markgenossenschaft oder der Gemeinde besondere Hirten bestellt.

Um das Jahr 1800 wurde im Herbste in Westkirchen noch jeden Abend mit der großen Glocke geläutet, damit die heimkehrenden Hirten sich nicht verirrten. Im Jahre 1828 wurde die gemeine Mark in Westkirchen an die Markberechtigten entsprechend dem Umfange ihrer Rechte aufgeteilt. So erklärt es sich, dass viele Westkirchener Bauern außer dem geschlossenen Grundbesitz rund um ihr Gehöft weit entfernt hier und dort in der Gemeinde noch größere oder kleinere Grundstücke haben.

Großen Grundbesitz in der Gemeinde Westkirchen hatte vor allem das Kloster Freckenhorst. Es besaß die 4 großen Höfe Syle, Sudhof, Dieke und Brinke, die es freilich nicht selber bewirtschaftete, sondern an Lehnsmänner gab, die diese Güter oft sogar wieder unterverpachteten. Im Laufe der Zeit lösten die Lehnsmänner ihre Verpflichtungen an das immer geldbedürftige Kloster nach und nach durch einmalige größere Zahlungen ab. Teils waren es Bauern, teils Adelsgeschlechter, die auf ihnen saßen. Bis auf eines, den Besitzer des Südhofes, haben sie alle ihre Selbständigkeit längst verloren; sie sind nicht mehr, während die kleineren Bauernhöfe der Gemeinde, von denen manche schon in Urkunden vor 800 bis 1000 Jahren genannt werden, trotz aller Schwierigkeiten im Laufe der Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag sich Eigenleben und Freiheit ihrer Scholle erhalten haben. Preis ist ihrer Hände Fleiß!

Von den großen politischen Wirren vergangener Jahrhunderte – z. B. vom 30jährigen Kriege (1618-1648) und 7jährigen Kriege (1756-1763) – blieb die Gemeinde Westkirchen verschont. Sie lag nicht nur weit ab von den großen Straßen und ganz in Wäldern versteckt, sondern dank der Bodenverhältnisse waren die nach Westkirchen führenden Wege so über alle Maßen schlecht, dass sie nur zeitweilig überhaupt benutzbar waren. Alte Leute erzählen noch heute von den Mühlenfahrten nach Warendorf, von der „Buckstraote“ (nach Freckenhorst) und der „Holtstraote“. Letztere führte nach Büttrup und war so schlecht, dass jeder, der sie benutzte, nach einem Übereinkommen der Interessenten bei jeder Fahrt eine Anzahl Buschen zur Ausbesserung der schlimmsten Stellen mitbringen musste (daher „Holt“-straote). Das wurde erst anders, als Westkirchen Kunststraßen bekam. Gerade dieser Abgeschlossenheit ist es sicher mit zu verdanken, dass Westkirchener Bewohner bis auf den heutigen Tag so treu zusammenhalten und so manche schöne alte Sitte noch nicht ausgestorben ist.

Von größter Bedeutung für das seelische und sittliche Leben der Gemeinde waren wegen dieser Absperrung  von der Außenwelt umso mehr die Priester. Von 1200 bis 1700 besorgte der Pfarrer die Seelsorge allein. 1700 wurde unter dem Bischofe Christian die Vikarie gegründet. Seit 1700 wirkten hier folgende Pfarrer: Johann Moormann (gest. 1698), Godefried Heerde (gest. 1710), Lorenz Bernhard Wiggelinghof (gest. 1765), Johann Heinrich Holing (gest. 1765), Johann Heinrich Kratz (gest. 1794), Hermann Westermeyer (gest. 1811), Alexander Lammerding (gest. 1815), Anton Hanlo (gest. 1830), Joseph Mentrup (gest. 1854), Heinrich Graskamp (gest. 14.08.1868), Arnold Klostermann (gest. 1884), Adolf Winkler (gest. 1905), Anton Schulte-Elte (gest. 1927), jetzt Herr Pfarrer Ribbekamp.

Die Vikarie war wiederholt verwaist. Zwangsweise war sie es während des Kulturkampfes von 1880-1887. Heimlich hielt sich allerdings der Vikar Franz Pompey seit 1885 in Westkirchen auf. Die Vikare waren: J. H. Schwartze (1701-1707), W. Helmker (1708-1712), H. Zumziel (1714-1728), Fenger (1732-1734), L. B. Badde (1746-1760), J. H. Kratz (1764-1765), J. H. Schulte (1765), J. H. Westermeier (1782-1793), K. A. Heising (1795-1804), A. Lammerding (1805-1811, dann als Pfarrer), F. J. Schütz (1814), K. Henckel (1814-1825), J. Mönking (1826-1880), Fr. Pompey (1887-1905), H. Benninghausen (1905-1907), Wilh. Schulte (1907-1908), A. Lenze (1908-1910), W. Twent (1912-1917), J. Brockhaus (1921-1924), seit 1924 Herr Vikar Depenbrock.

Die erste, um 1200 erbaute Kirche wurde wegen Baufälligkeit im Jahre 1799 abgebrochen. Erst 1809-1810 konnte eine neue Kirche erbaut werden. Diese brannte am 19. Juli 1868, am Margarethensonntage, beim Brande des Dorfes bis auf den Grund nieder. Dabei wurde auch der wertvolle, aus dem 12. Jahrhundert stammende alte Taufstein zerstört. Nun wurde im „Paotschoppen“ von Haus Diek eine Notkirche eingerichtet, bis die jetzige dreischiffige neugotische Hallenkirche vollendet war. Der jetzige Taufstein ist eine elegante Steinhauerarbeit aus der Renaissancezeit; er wurde von der Pfarre Sendenhorst übernommen und trägt die Jahreszahl 1588.

Der erste Lehrer von Westkirchen war Bernhard Vieth. Er war zugleich Küster und Schreiner. Schullokal und Schreinerwerkstatt war die jetzige größere Stube der Küsterei nach dem Garten zu. Später wurde ein Raum im Armenhaus als Schullokal hergerichtet, bis 1822 neben der Kirche ein neues Schulhaus gebaut wurde (jetzt Jugendheim). Arnold Vieth, der Sohn des Bernhard Vieth, war Lehrer in Westkirchen von 1824 – 1878. Er hatte nacheinander eine Reihe von Schulgehilfen. Seit 1875 waren es zwei ständige Lehrkräfte, und es wurde eine neue Schule neben der Vikarie eingerichtet. Seit 1897 waren 3 Lehrkräfte tätig, 1898 kam das Schulgebäude neben Erpenbeck dazu. 1912 wurde die 4. Lehrstelle eingerichtet und die neue Schule an der Bleiche eröffnet. Unter den Lehrkräften, die zeitweilig stark wechselten, seien besonders genannt: Bernhard Wesselkock (1874-1915), Gertrud Feldmann (1887-1926), Bernhard Oer (1915-1925). Von den jetzt hier wirkenden Lehrkräften ist Herr Hauptlehrer Heitfeldt seit 1897, Lehrerin Fräulein Bührmann seit 1912 in Westkirchen tätig.

Seit 1800 war Westkirchen stärker an den politischen Ereignissen beteiligt. Seit Otto dem Großen (936-973) und seinen Nachfolgern auf dem deutschen Kaiserthrone waren die Bischöfe nicht mehr bloß kirchliche Würdenträger, sondern auch weltliche Fürsten. So kam es, daß Westkirchen nicht bloß kirchlich, sondern auch politisch zum Bistum Münster gehörte. Diese weltliche Macht der Bischöfe wurde 1803 unter dem Einfluss des französischen Präsidenten Napoleon (er wurde 1804 zum Kaiser gewählt) durch den sog. Reichsdeputationshauptschluss aufgehoben (säkularisiert). Blücher marschierte in Münster ein; der östliche Teil des Bistums, also auch Westkirchen, kam an Preußen. Aber nach Preußens Niederlage im Jahre 1806 wurde es dem unter französischer Herrschaft stehenden Herzogtum Berg einverleibt, und seit 1808 war dort Napoleon selber Landesherr. Schwere Steuern lasteten nun auf der Gemeinde Westkirchen, und die besten seiner Söhne wurden zwangsweise in das französische Heer gesteckt. Bis vor wenigen Jahrzehnten stand in einem Zimmer des Schlosses (Haus Diek) noch das Napoleonsbett, so genannt, weil nach der Volksüberlieferung Kaiser Napoleon einst darin übernachtet haben soll. Die Fremdherrschaft dauerte bis gegen Ende 1813. Von den nun folgenden Durchmärschen der preußischen und russischen Truppen, auch der Kosaken, blieb Westkirchen verschont. 1815 marschierten mehrere Westkirchener mit in Frankreich ein. Hermann Linnemann blieb auf dem Felde der Ehre.

Durch den Wiener Kongress (1814-1815), der nach der Niederwerfung Napoleons die Verhältnisse Europas neu ordnete, kam Westfalen endgültig an Preußen. Westkirchen, das unter fürstbischöflichem Zepter dem Amte Stromberg zugeteilt war, gehörte nun zunächst einige Jahrzehnte dem Amte Hoetmar an. Dann wurde aus den Gemeinden Westkirchen, Ostenfelde und Beelen, von denen damals Westkirchen die leistungsfähigste war, ein selbständiges Amt gebildet, und Westkirchen war vorübergehend Sitz des Amtmannes, bis dann das Amt endgültig den Namen „Beelen“ erhielt und die Amtsbehörde nach Beelen übersiedelte.

Allmählich verschob sich das wirtschaftliche Schwergewicht des Amtes nach dem flächenmäßig größeren Orte Beelen. Der leichte Sandboden trug durch seine besseren Wegeverhältnisse und nach Einführung der Gründüngung und des Kunstdüngers, sowie durch die wesentlich leichtere und billigere Bearbeitungsmöglichkeit über den schweren Kleiboden den Sieg davon. Das drückt sich auch in den Einwohnerzahlen aus. Westkirchen hat heute die geringste Einwohnerzahl und seit vielen Jahrzehnten keine wesentliche Steigerung aufzuweisen. In Bezug auf die Viehhaltung blieb allerdings der „Sändker“ in stundenweitem Umkreise noch lange Zeit von Westkirchen abhängig, das sein hochwertiges Heu selbst über die Kreisgrenzen hinaus verkaufte. Heute hat sich auch in dieser Beziehung der Sandboden auf eigene, starke Füße gestellt.

Die Anteilnahme Westkirchens an den politischen Ereignissen der Jahre 1848, 1866 und 1870/71 kann im Rahmen dieser kurzen Arbeit nicht zur Darstellung gelangen. Von einem furchtbaren Schlage wurde die Gemeinde betroffen, als am 19. Juli 1868 das Dorf von einem Brande heimgesucht wurde, der in wenigen Stunden fast sämtliche Häuser und die Kirche in Asche legte. Nach diesem Unglück offenbarte sich der echte Gemeinschaftssinn der Gemeindegenossen in der schönsten Weise. Dank dem Opfersinn und der Hilfsbereitschaft der nicht heimgesuchten Kirchspielbewohner war es möglich, in kurzer Zeit Dorf und Kirche wieder aus den Trümmern erstehen zu lassen.

Um diese Zeit begannen sich auch die geradezu unleidlichen Wegeverhältnisse der Gemeinde allmählich zu bessern. Schon 1829 hatte Westkirchen die erste chaussierte Straße erhalten, die Strecke Scheimann bis zum Dorf. Ihre Verlängerung war die Straße Westkirchen – Vohren, die 1859-60 gebaut wurde. Die Chaussee Westkirchen – Ostenfelde entstand 1865, Westkirchen – Hoetmar 1875-80, Westkirchen – Freckenhorst 1882, Westkirchen – Domhof 1883-85, Westkirchen – Beelen 1893-94. Die Waldstraße wurde im Jahre 1892 in Angriff genommen, aber nur langsam und bruchstückweise fortgesetzt. Zwischendurch wurden dann noch einige kleinere Wege innerhalb der Gemeinde ausgebaut, so Bröckelmanns Weg 1889, die Bergstraße (über Reinken Hof) 1898. Nun klang es viel fröhlicher, wenn der Postillion, von Freckenhorst oder von Oelde mit der Postkutsche  ins Dorf einfahrend, sein Liedlein blies: „Hab dir was mitgebracht! Hab dir was mitgebracht! Weiß nicht, was es ist!“ Sehr lange hat sich Westkirchen allerdings der idyllischen Postkutschenzeit nicht erfreut, denn noch ums Jahr 1870 kam wöchentlich einmal ein Postbote von Warendorf herüber, und dann, als Westkirchen 1899 Bahnstation wurde, war es mit der Postkutschenherrlichkeit vorbei. Es handelt sich um die Strecke Neubeckum – Warendorf der Westfälischen Landeseisenbahn, die am 22. Juli 1899 zunächst bis Freckenhorst, am 1. April 1901 bis Warendorf eröffnet wurde. So sind genügende verkehrsmäßige Verbindungen für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinde geschaffen.

Der Weltkrieg hat die schwachen Vorzeichen einer solchen Aufwärtsentwicklung zunichtegemacht. Auch hat der Tod unter den für’s Vaterland hinausgezogenen Söhnen unserer Gemeinde furchtbare Ernte gehalten. 36 Namen an dem auf der Bleiche im Jahre 1922 errichteten geschmackvollen Kriegerdenkmal beweisen es.
 
Hoffen wir, dass die neue, die kommende Zeit in Westkirchen ein Geschlecht vorfinde, das, der Väter wert, zähe und unentwegt, gläubig und Gott vertrauend wirkt und schafft zum Wohle des Ganzen!

J.Schlotmann


[1] Vgl. Tibus, Namenkund westf. Orte, S. 102
[2] Achtung: erst die Kirche, dann der Ort! Vgl. Tibus?

Anmerkungen:
Die ältestes erhaltene Urkunde zu Westkirchen ist aus dem Jahr 1284
Die alte Dorfkirche wurde 1799 nur stillgelegt; abgerissen wurde sie (bis auf den Turm) erst 1805

Quelle des 1.Berichtes: Nachlass J.Schlotmann
Mit freundlicher Genehmigung der Familie Schlotmann und der Glocke



Im Dorfarchiv befindet sich ein weiterer Bericht mit dem Titel "Weiter aus dem alten Westkirchen" als Kopie. Dieser ist jedoch undatiert und von unbekannter Herkunft. Dem Stiel nach wurde er aber vermutlich ebenfalls von Josef Schlotmann erstellt und evtl. auch veröffentlicht.


Weiter aus dem alten Westkirchen

Um zur Pfarrkirche und Schule zu gelangen, legten die einzelnen Bauerschaften Fußwege an, die zum Teil mit Steinplatten befestigt waren („Stenpätte“), Solche Fußwege wurden auch als Verbindung von einer Gemeinde zur anderen benutz. Hunderte von Jahren hat es gedauert, bis diese Steinpfade nach dem Bau von festen Straßen entbehrlich wurden. Die alten Fußwege, die an Ackerrainen vorbei durch Kämpe und Viehweiden, an Flußufern entlang durch Wald und Holzung führten, waren wegen ihrer Romantik so beliebt, daß sie noch gern benutzt wurden, als schon feste Straßen gebaut waren. Zum Teil werden sie in den 50er Jahren noch gern benutzt (der alte Bauer Niehues-Kleibolte ging vor 100 Jahren noch jeden Sonntag zum Gottesdienst über einen Steinpfad; sicher hätte er dem hl. Opfer nicht andächtig beiwohnen können, wenn er nicht über seinen „Stenpatt“ zur Kirche gekommen wäre).

Bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts haben sich die Besitzverhältnisse in der Gemeinde nur wenig verändert. Auch die Unruhen der Reformationszeit und die des dreißigjährigen Krieges haben der Gemeinde keinen allzu großen Schaden gebracht. Zu Anfang des Jahres 1622 wurde Westkirchen mehrmals von  Truppen des tollen Christian geplündert. Anfang des 18. Jahrhunderts starb die Familie Große-Schulenburg aus. Die Besitzung kam als herrenloser Hof an Herrn von Nagel zu Ostenfelde. Die zweite Frau des Bauern Große-Schulenburg war eine Türkin. Christof Bernhard von Nagel, der „tolle General“ genannt, hatte aus dem Türkenkriege zwei Mädchen mitgebracht, die 1688 in Ostenfelde getauft wurden. Christine Ludwika Isabella heiratete auf dem Hof Kersting in Ostenfelde, Maria Franziska wurde 1703 die zweite Frau des Adolf Schulenburg in Westkirchen.

Neben der Kirche und dem Pastorat lagen die kleinen Besitzungen der Markkötter: Beermann, Hagemeier und Lohmann. Hagemeier betrieb eine kleine Gerberei, Lohmann richtete die Dorfschmiede ein. Bald siedelte sich ein Kaspar Renne als Schuhmacher an. Neben der Kirche baute ein Klostermann eine Brauerei. Auch der erste Schneider machte sich im Dorfe nahe der Kirche seßhaft. Er stammte von dem Hofe Lüttke Holtrup, heute Telges. Nahe dem Hofe Beermann, heute Reinke, stand ein Heuerlingskotten. Hier wohnte ein Uhrmacher mit Namen Buemann. Täglich ging er von Haus zu Haus und Hof zu Hof und reparierte die alten Standuhren der Bauern und hielt sie in Ordnung. Die kleine Kate hieß noch lange nach dem Tode des Uhrmachers im Volksmunde die „Goldschmiede“, bis sie wegen Baufälligkeit abgerissen werden mußte.

Eines der ältesten Gasthäuser des Kreises Warendorf ist das Haus Badde. Da es beim Dorfbrand (1868) zu den wenigen verschonten Häusern des Ortes gehörte, ist es wahrscheinlich sogar das älteste Haus im Dorfe. Sicher war es der erste Gasthof in Westkirchen, dieses besagt das alte Schildwirte-Verzeichnis des Amtes Stromberg (um 1600 war Westkirchen dem Burggrafen von Stromberg zugehörig). Dadurch trug der Gasthof Badde damals die Bezeichnung „In drey Kronen“. Der Gasthof bot Ausspann und Übernachtung. Nebenher wurde Landwirtschaft betrieben, auch eine Brennerei gehörte dazu. Die Lieferung von Branntwein wird in der Klostergeschichte des Stiftes Freckenhorst erwähnt, ebenso ist eine Rechnung aus einer Lieferung von 50 Ohm Branntwein an von Hangsleben (das heutige Haus Dieck) aufbewahrt. Noch aus dem Jahr 1727 stammt die Bleiglasurkunde mit der Beschriftung: „Johann Henrich Badde Gastgeber in Westkirchen und Anna Maria Schwartze, Eheleute 1729“. Der Urgroßvater (1785 geboren), Land- und Gastwirt Laurenz Badde, war Brennereibesitzer und Ortsvorsteher.

Quelle unbekannt, vermutlich von Wolfgang Otterpohl und / oder Josef Schlotmann.
Einige Passagen hiervon wurden auch im Heft "Westkirchen in Zeit und Bild", vom Männerchor Westkirchen im Jahre 1970 veröffentlicht.
Mit freundlicher Genehmigung des Männerchor Westkirchen e.V.


Dorfarchiv Westkirchen e.V.
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